Das Forscherduo C. H. Tinsley und K. O’Connor teilte den Teilnehmern einer Reihe von Studien mit, dass sie mit jemandem verhandeln würden, der entweder einen Ruf als harter Verhandler, den Ruf, kooperativ zu sein, oder einen unbekannten Ruf habe. Obwohl diese Informationen fingiert waren und nach dem Zufallsprinzip vergeben wurden, hatten sie große Auswirkung auf die Erwartungen der Teilnehmer während der Verhandlungssimulationen und schließlich auf die Ergebnisse der Verhandlungen. Verhandler, denen ein harter, egozentrischer Ruf vorauseilte, schlossen viel schlechter ab als die Verhandler, deren Ruf nicht bekannt war. Kooperative Verhandlungsführer, die für eine effektive Zusammenarbeit bekannt waren, erzielten bessere Ergebnisse als diejenigen mit dem Ruf, hart zu sein, und die mit einem unbekannten Ruf. Zwar können Sie nicht vollständig kontrollieren, was andere über Sie sagen oder denken, dennoch können Sie in einer Verhandlung Gelegenheiten schaffen, um so kooperativ wie nur möglich zu erscheinen.
Wenn sich die Verhandlungsparteien gegenseitig vertrauen, fühlen sie sich sicherer, sensible Informationen über ihre Bedürfnisse und Interessen preiszugeben. Wenn man es der anderen Seite ermöglicht, frühzeitig kleine Gewinne zu erzielen, kann das einen erheblichen Beitrag zum Aufbau eines Vertrauens- und Kooperationsklimas leisten. J. Cambria, der Verhandlungsführer des New Yorker Polizeidepartments bei Geiselnahmen, eröffnet seine Verhandlungen oft damit, dass er den Geiselnehmer fragt, ob er möchte, dass Cambria ehrlich zu ihm ist. Willigt der Geiselnehmer ein, hat der NYPD-Verhandler dadurch bei ihm das Gefühl erzeugt, einen ersten, kleinen Sieg errungen zu haben. Das Gleiche kann auf die Geschäftswelt übertragen werden. Wenn Sie mit einem Kollegen schwierige Budgetfragen oder Prioritäten der Abarbeitung von Angelegenheiten verhandeln müssen, lassen Sie ihn beispielsweise über den Ort der Verhandlung oder über die Reihenfolge der Agenda-Punkte entscheiden. Zugeständnisse in augenscheinlich kleinen, prozessbezogenen Aspekten können helfen, Vertrauen aufzubauen, eine kooperative Grundstimmung herzustellen und den Eindruck zu erwecken, dass Sie Fortschritte machen.
Wenn die Gespräche bereits begonnen haben, kann die Offenlegung Ihrer Interessen und Prioritäten eine kooperative Einstellung sowie den Wunsch signalisieren, beidseitig vorteilhafte Geschäfte abzuschließen. Wenn Sie vertrauliche Informationen preisgeben, erhält Ihr Gegenüber ein besseres Gefühl dafür, wo Sie stehen und wo Sie Ihre Grenzen in der Verhandlung ziehen. Stellen Sie sich vor, Sie seien ein potentieller Käufer. Sie lassen den Verkäufer wissen, dass Sie einen Lieferzeitpunkt Ende Juni bevorzugen, um eine bestimmte Quote erfüllen zu können. Wenn Sie nur das Datum, aber nicht den Grund nennen, wecken Sie bei Ihrem Gegenüber Widerstände. Wenn Sie jedoch den Grund für Ihre Forderung nennen, können Sie beide Optionen erarbeiten, wie diese zeitliche Vorgabe erreicht werden kann. Dadurch erzielen Sie eine Vereinbarung, die beiden Seiten das gibt, was sie brauchen. Wenn gegenseitiges Misstrauen die Parteien davon abhält, offen miteinander zu reden, kann das Teilen von Informationen einen Ausweg aus der Kommunikationsfalle darstellen. Da Reziprozität eine mächtige „Waffe“ ist, kann das Einbringen Ihrer eigenen Interessen die andere Seite ermutigen, etwas über ihre zu offenbaren – und gleichzeitig stärkt dieses Vorgehen Ihren Ruf als kooperativer Verhandler.
Erfahrene Manager wissen, dass die Art und Weise, wie eine Nachricht übermittelt wird, ebenso wichtig ist wie ihr Inhalt. Tatsächlich fanden R. Bies (Georgetown University) und J. Moag (Northwestern University) heraus, dass sogar unangenehme Nachrichten akzeptiert werden, wenn sie auf eine Art und Weise verbreitet werden, die fair erscheint. Einer Person mit Höflichkeit, Respekt und Ehrlichkeit zu begegnen, wird ihr das Gefühl vermitteln, gerecht behandelt zu werden. Stellen Sie sich vor, Sie verhandeln mit Ihrem Team über die Projekte, Termine und Ressourcen für das kommende Jahr. Die Interessen der Mitglieder anzusprechen, ruhig auf ihre Ängste zu reagieren und die Fähigkeiten jedes Einzelnen hervorzuheben, wird Ihnen Respekt verschaffen. Wenn Sie Ihren Teammitgliedern Sicherheit und Selbstvertrauen vermitteln, wird darüber hinaus auch die Qualität Ihrer Gesamtvereinbarung steigen. Indem Sie die am Tisch sitzenden Personen von einem wettbewerbsorientierten, darwinistischen Feilschen hin zu einer gemeinsamen Problemlösung führen, wird Ihre Reputation als kooperativer Verhandlungspartner gestärkt.
in Anlehnung an: https://www.pon.harvard.edu/daily/business-negotiations/let-your-reputation-precede-you/