Stellen wir uns die Abteilungen eines Unternehmens als Bestandteile eines Motors vor, die erst im Zusammenspiel ihre volle Kraft entwickeln. Der Personalabteilung würde dabei die Aufgabe des Schmierstoffes zufallen, denn ohne die Auswahl der passenden Mitarbeiter läuft ein Unternehmen nicht rund: Reibungswärme entsteht, der Motor läuft heiß und kann daran im schlimmsten Fall einen Totalschaden erleiden.
Um dies zu verhindern, müssen Mitarbeiter aus den Bereichen Change Management, Personalentwicklung, operatives Personalmanagement oder Rekrutierung immer Bestleistungen erbringen. Das ist gerade in großen Unternehmen gar nicht so leicht, wenn Personaler die Interessen verschiedener Stakeholder gleichzeitig bedienen müssen wie Betriebsräte, Führungskräfte, Mitarbeiter, Gewerkschaften, Öffentlichkeit oder anderen Unternehmen. Je mehr Interessen zu berücksichtigen sind, desto komplizierter die Ausgangslage für den verhandelnden Personaler.
Es ist also eine sehr hohe Verhandlungskompetenz gefragt. Aus diesem Grund hat ISMAN & Partner in der Studie „Stimmungsbild Verhandlungsführung in Deutschland“ das Verhandlungsverhalten von Human Resource Verantwortlichen untersucht und Optimierungspotenzial herausgearbeitet.
fällt aus unserer Perspektive auf, dass Personaler die Bedeutung der Themen „Evaluation einer Verhandlung“ und „Dokumentation einer Verhandlung“ sehr ernst nehmen (1). Von anderen Berufsgruppen werden diese Felder in der Regel eher vernachlässigt, wodurch einem Unternehmen wertvolles Verhandlungs-Know-how verlorengeht. Das heißt Mitarbeiter müssten bei Verhandlungen immer wieder bei Null anfangen. Umso besser, dass Personaler die Bedeutung von Evaluation und Dokumentation für erfolgreiches Verhandeln erkannt haben.
Außerdem gaben alle befragten Personaler (100%) an, dass eine umfassende Vorbereitung auch beinhaltet, sich Gedanken über die Ziele des Verhandlungspartners zu machen (2). Ein Wert, den sonst keine andere Berufsgruppe erreicht hat.
Personaler schneiden auch in einem weiteren Punkt überdurchschnittlich gut ab: Alle gaben an, ihre ausgehandelten Vereinbarungen später auch im Unternehmen durchsetzen zu können (3).
sind einige handwerkliche Fehler der Personaler. Zum Beispiel werden am Verhandlungstisch unnötig viele Zugeständnisse gemacht. Oft mit der Begründung, die Beziehung zum Verhandlungspartner nicht gefährden zu wollen (4), damit dieser nicht die Verhandlungen abbricht und den Tisch verlässt (5). In der Regel wird dabei aber die eigene Verhandlungsposition unterschätzt.
Vor allem bei unternehmensinternen Verhandlungen (6) werden Kompromisse oft früher als nötig eingegangen (7). Doch auch hier sollte das Ziel des Personalers sein, ein optimales - konsensuales - Ergebnis zu erreichen (8).
ist auch die Scheu vieler Personaler, Forderungen zu stellen (9). Sie führt ebenso zu vorschnell geschlossenen Kompromissen, mit denen auf Dauer oft beide Seiten unzufrieden sind. Denn: Sich irgendwo in der Mitte zu treffen ist nicht immer die beste Lösung für alle. Vor allem, wenn man sich vor verschiedenen Stakeholdern rechtfertigen muss. Dieses Unvermögen mag auch daran liegen, dass die meisten Befragten aus dem Human Resources Bereich Verhandlungen als reinen Austausch von Zugeständnissen ansehen (10). Und zu viele Zugeständnisse verhindern zwangsläufig das etwas aufwändigere Aushandeln eines Konsenses, der dann aber beide Seiten glücklich machen würde.
Widersprüchliches Verhalten
fällt beim Thema „Einsatz von Standards“ auf, also von beidseitig anerkannten Zahlen, Daten und Fakten. Diese werden zwar im Rahmen einer Argumentation eingesetzt und auch überdurchschnittlich oft als wichtig erachtet (11). Im Widerspruch dazu steht allerdings, dass Personaler sie seltener als der Durchschnitt aller Befragten einsetzen (12). Ähnlich verhält es sich mit distributiven Taktiken wie Drohungen und Ultimaten. Obwohl Personaler überdurchschnittlich viel Freude daran haben, ihr Gegenüber durch Unterbrechungen aus dem Konzept zu bringen (13), werden diese Taktiken nur relativ selten eingesetzt (14).
sind neben den handwerklichen Fehlern beim Verhandeln die zweite Schwachstelle der Personaler. Befragte aus dem Bereich Human Resources ordnen „Vorbereitung“ und „Durchführung“ seltener als der Durchschnitt den wichtigen Phasen einer Verhandlung zu (15). Andererseits vertreten sie überdurchschnittlich oft die (richtige) Ansicht, dass die Vorbereitung einer Verhandlung genauso lange dauern kann wie die Verhandlung selbst (16).
Eine ungenügende Vorbereitung kann dazu führen, dass Personaler ihr eigenes Limit übersteigen (17). Sie verhandeln zum Beispiel über ihren Ausstiegspunkt hinaus, weil sie sich im Vorfeld nicht exakt überlegen, wann sie den Verhandlungstisch verlassen müssten (18), da ihre Alternative attraktiver wäre.
Zudem werden auch Eskalationsstufen in der Vorbereitung nicht ausreichend durchgespielt (19) und oft zu wenige Informationen über den Verhandlungspartner eingeholt (20). Letzteres liegt zum Beispiel daran, dass man bei unternehmensinternen Verhandlungspartnern irgendwann das trügerische Gefühl haben kann, sie gut genug zu kennen, um sich noch Informationen einholen zu müssen. Ein anderer Grund dafür liegt aber auch in der Einstellung der Personaler: Über 30 Prozent glauben, dass Informationen über ihr Gegenüber ihre Spontaneität in der Verhandlung behindern würde (21).
Mitarbeiter aus dem Bereich Human Resources verfügen bereits über gute Grundlagen in der Verhandlungsführung. Wissenslücken und handwerkliche Fehler in der Umsetzung führen jedoch dazu, dass über 85 Prozent der Personaler nach einer Verhandlung das Gefühl haben, es wäre mehr für sie drin gewesen (22). Und über die Hälfte der Personaler den Eindruck haben, ihre Botschaften kämen nicht richtig an (23). Das Ergebnis: Sie haben unterdurchschnittlich viel Spaß am Verhandeln (24).
Diese Folgen sollten von Personal-Geschäftsführern und Human Resources Unternehmens-Vorständen nicht unterschätzt werden. Mitarbeiter der Personalabteilung tragen einen entscheidenden Teil zum Erfolg einer Organisation bei und verhandeln mehrmals täglich. Umso erschreckender also, dass ihnen dieser Teil ihrer Arbeit oft keinen Spaß macht. Höchste Zeit, das zu ändern. Zum Beispiel indem ihr Wissen zur Verhandlungsführung gestärkt wird und sie situationsspezifisches On-The-Job-Coaching erhalten.
(1) Frage 6, Phasen: „Evaluation“: HR 71,4% im Vergleich zum Durchschnitt 66,5% und Frage 8, Dokumentation: „Gemeinsame Notizen, Mitschriften, etc.“: HR 71,4% im Vergleich zum Durchschnitt 57%.
(2) Frage 7, Vorbereitung: „Was der Andere will“: HR 100% im Vergleich zum Durchschnitt 83,2%.
(3) Frage 10, Gefühl nach Verhandlung: „Dem vereinbarten Vorgehen wurde doch nicht zugestimmt“: HR: 0% im Vergleich zum Durchschnittlich 13,1%.
(4) Frage 1, Das Angebot: „Eigene Ansprüche herunterschrauben“: HR 7,1% im Vergleich zum Durchschnitt 0,6%.
(5) Frage 11, „Zugeständnisse wegen Beziehung“: MW (Mittelwert) HR 65.57 im Vergleich zum MW durchschnittlich 55.93.
(6) Frage 3, Flugkosten: „Wir sind ja ein Unternehmen“: HR 21,4% im Vergleich zum Durchschnitt 11,2%.
(7) Frage 9, Kompromisse: „In der Regel treffen wir uns in der Mitte“: HR 78,6% im Vergleich zum Durchschnitt 56,5% und Frage 3, Flugkosten: „Teilung Strecke HOU-NYC 50:50“: HR 7,1% im Vergleich zum Durchschnitt 26,8% und „Teilung der Strecke 35:65“: HR 21,4% im Vergleich zum Durchschnitt 7,8%.
(8) Frage 9: „Konsens“: HR 57,1% im Vergleich zum Durchschnitt 70,1%.
(9) Frage 4, Der Mercedes: „Lange mit dem Wagen beschäftigen, Preis senken, Zusatzleistungen verhandeln“: HR 14,3% im Vergleich zum Durchschnitt 21,8%.
(10) Frage 9: „Austausch von Zugeständnissen“: HR 21,4% im Vergleich zum Durchschnitt 15,3%.
(11) Frage 14, Bedeutung Standards: „Wichtig“: MW HR 68 im Vergleich zum MW Durchschnitt 55.17.
(12)Frage 4, Der Mercedes: „Konfrontation mit Recherche-Ergebnisse“: HR 42,9% im Vergleich zum Durchschnitt 49,7% und Frage 7, Vorbereitung: „Ich schaue mir Zahlen, Daten, Fakten an“: HR 57,1% im Vergleich zum Durchschnitt 61,5%.
(13) Frage 16: „Unterbrechen macht mir Spaß“: MW HR 31.64 im Vergleich zum MW Durchschnitt 24.09.
(14) Frage 7, Vorbereitung: „Ultimatum“: HR 7,1% im Vergleich zum Durchschnitt 22,9% und „Drohungen“: HR 14,3% im Vergleich zum Durchschnitt 16,8%.
(15) Frage 6, Phasen: „Vorbereitung“: HR 71,4% im Vergleich zum Durchschnitt 85,5% und „Durchführung“: HR 57,1% im Vergleich zum Durchschnitt 78,8%.
(16) Frage 18: „Vorbereitung dauert“: MW HR 71.43 im Vergleich zum MW Durchschnitt 67.47.
(17) Frage 4, Der Mercedes: „Wagen wie inseriert“: HR 7,1% im Vergleich zum Durchschnitt 2,8% und „Nur um 500 Preis runterdrücken“: HR 35,7% im Vergleich zum Durchschnitt 25,7%.
(18) Frage 7, Vorbereitung: „Tisch verlassen“: HR 28,6% im Vergleich zum Durchschnitt 23,5%.
(19) Frage 7, Vorbereitung: „Eskalationsstellen“: HR 14,3% im Vergleich zum Durchschnitt 38%.
(20) Frage 7, Vorbereitung: „Informationen über den Partner“: HR 57,1% im Vergleich zum Durchschnitt 67%.
(21) Frage 12: „Zu viele Informationen vermindern Spontaneität“: MW HR 31.93 im Vergleich zum MW Durchschnitt 21.11.
(22) Frage 10, Gefühl nach Verhandlung: „Wäre mehr drin gewesen“: HR 85,7% im Vergleich zum Durchschnitt 49,7%
(23) Frage 13, Erklärungsnot: „Botschaften kommen nicht an“: MW HR 53.36 im Vergleich zum Durchschnitt 35.13.
(24) Frage 6: „Verhandlungen machen mir Spaß“: MW HR 41 im Vergleich zum MW Durchschnitt 46.74.