Sie sind Inhaber einer Firma, die in ganz Osteuropa von einem Zentrallager in Bukarest aus Bürogeräte vertreibt. Ihrer Meinung nach hat einer Ihrer Lieferanten mangelhafte Laptops geliefert (die Laptops sind zwar funktionsfähig, können aber nicht verkauft werden, da sie nicht mehr in einem einwandfreien Zustand sind). Durch diese Fehllieferung ist für Sie ein Schaden in Höhe von 10 Millionen Euro entstanden. Der Hersteller der Laptops hat Ihnen jedoch lediglich 100 000 Euro als „Ärgernis-Wiedergutmachung“ angeboten. Beide Seiten sind sich einig: Sie brauchen jemanden, der dabei hilft, den Streit beizulegen. Sie beauftragen einen neutralen Vermittler, um genau das zu tun.
Da Sie bereits wissen, wie die Mediation funktioniert, folgen hier einige Tipps, die sicherstellen sollen, dass Sie aus dem Prozess gut herauskommen.
Die persönlichen (Einzel-)Gespräche des Mediators mit jeder involvierten Partei werden ihm einen Eindruck vom Verhandlungsrahmen geben, in dem eine für alle zufriedenstellende Lösung möglich wäre. Ziehen Sie in Erwägung, den Mediator um eine Einschätzung Ihres Angebots zu bitten. Diese Taktik hilft Ihnen nicht nur, einen Vorschlag zu finden, der zu Ihnen passt, sondern bezieht auch das Wissen des Mediators über die Interessen der anderen Seite mit ein. Dadurch können Sie ein Angebot vermeiden, das die Gegenseite als empörend empfinden würde.
Nehmen wir an, Sie planen, zunächst 9,5 Millionen Euro vom Computerhersteller zu fordern und Ihre Nachfrage schrittweise auf 2 Millionen Euro zu reduzieren. Anstatt den Vermittler einfach zu bitten, dieses Angebot der anderen Partei zu unterbreiten, fragen Sie ihn, was er davon hält.
"Die andere Seite ist der Meinung, dass Ihre derzeitige Forderung von 10 Millionen Euro unverschämt ist“, sagt er. „Eine Eröffnungsforderung von 9,5 Millionen Euro könnte ernsthafte Verhandlungen unmöglich machen. Hier ein Gegenvorschlag: Wenn Sie 7,5 Millionen Euro fordern, kann ich auf die erhebliche Summe hinweisen, um die Sie Ihre Forderungen gesenkt haben. Falls das Gegenangebot der anderen Partei ebenfalls substanzielle Zugeständnisse enthält, haben beide Seiten bewiesen, dass sie wirklich eine für beide Parteien akzeptable Lösung anstreben.“
Obwohl Sie nicht verpflichtet sind, den Rat des Mediators zu befolgen, führen Sie sich vor Augen, dass seine Gespräche mit der anderen Seite ihm beträchtliches Wissen über die Interessen Ihres Gegenübers ermöglicht haben. Indem Sie dieses Wissen nutzen, können Sie eine Einigung erzielen, die Sie zufriedenstellen wird.
Wenn Gespräche zu einem Streit eskalieren, ziehen Verhandler oft negative Rückschlüsse auf den jeweils anderen. Wenn die Gegenseite wertschätzender verhandeln würde, hätten wir schon längst eine Lösung – denken sie sich. Diese Denkweise führt bei beiden Seiten dazu, dass Vorschläge und Lösungsalternativen des Gegenübers mit großer Skepsis und einer gehörigen Portion an Misstrauen beäugt werden. Psychologen bezeichnen diese Tendenz als „reaktive Abwertung“ (reactive devaluation). Fehlendes Vertrauen ist jedoch fatal für eine nachhaltige Einigung.
Ihr Mediator kann Ihnen helfen, diese Hürde zu überwinden. Stellen Sie sich vor, dass Ihre Einzelgespräche mit dem Mediator Sie auf eine ganz neue Idee gebracht haben: Warum nicht die Laptops einer öffentlichen Schule in Bukarest spenden? Das würde Ihr Image steigern, aber auch dem Hersteller nützen. Gleichzeitig sind die Schüler zukünftige Käufer oder sogar Mitarbeiter in beiden Unternehmen. Um eine reaktive Abwertung des Laptop-Herstellers zu vermeiden, könnte der Mediator der Gegenseite diesen Vorschlag unterbreiten – sofern er ihn für eine für beide Parteien faire Option hält. Er kann der anderen Seite den Vorschlag so präsentieren, dass deren Skepsis minimiert wird.
Manchmal erweisen sich die Annahmen Ihres eigenen Verhandlungsteams als unrealistisch und als das größte Hindernis für einen Konsens. Wenn das Team die Interessen oder Prioritäten der Gegenseite nicht wirklich versteht, kann es der Ansicht sein, dass es das einzig richtige Vorgehen sei, unnachgiebig zu fordern und auf Zugeständnisse der Gegenseite zu warten. Oder einige Ihrer Teammitglieder schätzen die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen – etwa im Falle eines Rechtsstreits – viel zu optimistisch ein.
Möchten Sie die Annahmen Ihrer Kollegen hinterfragen, stehen Sie vor einem nicht geringen Problem: Falls Sie ihnen zu stark widersprechen, zweifeln sie vielleicht an Ihrer Loyalität oder Sie erscheinen als „Bedenkenträger“ oder „Nörgler“. Das würde Ihrem Ruf im Unternehmen schaden. Um dieser Falle zu entgehen, nutzen Sie einen neutralen Vermittler, um Ihre eigene Position im Team zu stärken. In internen Abstimmungsrunden können Sie diesem Fragen stellen, zum Beispiel: „Wie wahrscheinlich ist es, dass die andere Seite einknickt? Wie wahrscheinlich ist es, dass wir uns vor Gericht durchsetzen?“ Ihr Verhandlungsteam wird aller Voraussicht nach der Neutralität und der Erfahrung des Mediators einen besonderen Stellenwert einräumen. Sie erreichen das Gewünschte und erhöhen gleichzeitig Ihre wahrgenommene Kompetenz und Weitsichtigkeit innerhalb der Organisation.
In Anlehnung an Harvard PON „Get the Best Possible Deal in Mediation “, Negotiation, January 2006.